Auf dem Weg zu mehr Beweglichkeit haben wir Dir in unserem letzten Artikel das Passive Dehnen und dessen Wirkungsweise vorgestellt. Im zweiten Artikel unserer Serie möchten wir Dir nun die PNF Stretching Methode vorstellen.
PNF steht für Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation und beinhaltet Kombinationen von Anspannung, Entspannung und Dehnen sowohl des zu dehnenden Muskels und als auch dessen Gegenspielers. Es werden Reflexe des Körpers genutzt, um muskuläre Entspannung herbeizuführen. Mittels PNF Stretching kannst Du nicht nur beweglicher werden, sondern auch Kraft in den Endbereichen der Beweglichkeit aufbauen. Klingt natürlich verlockend, jedoch setzt diese Methode voraus, dass Du den richtigen Bewegungsablauf kennst und Deine Muskeln gezielt ansteuern kannst.
Es gibt zwei unterschiedliche Methoden und eine Mischform:
- Contract Relax (CR):
Du spannst den zu dehnenden Muskel an, hältst die Spannung, entspannst den Muskel und kommst dann in die (tiefere) Dehnung.
Falls Du Dich fragst, was hier im Körper passiert, ein kurzer Exkurs zum Thema Autogene Hemmung: an den Übergängen zwischen Deinen Muskeln und Sehnen befinden sich Rezeptoren. Diese sogenannten Golgi-Sehnenorgane messen die Kraft, die auf die Muskelsehnen ausgeübt wird. Steigt nun die Spannung, weil Du Deine Muskeln kontrahierst, übermitteln Deine Golgi-Sehnenorgane diesen Muskeln das Signal, sich zu entspannen, um mögliche Verletzungen zu vermeiden. Probier’s mal in der sitzenden Vorwärtsbeuge aus:
- Setze Dich auf den Boden mit gestreckten Beinen und beuge Dich nach vorn, bis Du eine leichte Dehnung in Deiner Oberschenkelrückseite spürst. Dein Gehirn erhält die Information, dass das Dehnpotenzial Deines Muskels ausgeschöpft ist
Spanne nun die Muskeln Deiner Oberschenkelrückseite sanft an. Beuge dafür leicht Deine Knie und press Deine Fersen in den Boden. Damit verstärkst Du die Spannung am Übergang zwischen Muskeln und Sehnen. Dein Golgi-Sehnenorgan wird stimuliert und Dein Rückenmark sendet Signale zur Muskelentspannung
- Strecke nun wieder die Beine. Tadaa, Du kannst tiefer in Deine Vorbeuge sinken
- Antagonist-Contract (AR):
Hierbei spannst Du während der Dehnung den Gegenspieler (Antagonist) des zu dehnenden Muskels an und kannst dadurch die Dehnung vertiefen. Dieser Reflex, also dass sich Dein Zielmuskel durch Anspannen Deines Gegenspielers entspannt, nennt man Reziproke Hemmung.
Beispiel sitzende Vorwärtsbeuge: Spannst Du Deine Oberschenkelvorderseite aktiv an, sendet Dein Rückenmark den Muskeln Deiner Oberschenkelrückseite das Signal, sich zu entspannen, so dass Du tiefer in die Vorbeuge kommen kannst.
- Contract-Relax-Antagonist-Contract (CRAC):
Wie der Name vermuten lässt, werden hier die beiden Methoden aus 1. und 2. kombiniert, damit die Mechanismen der autogenen und reziproken Hemmung zusammenwirken können.
Um langfristige Ergebnisse zu erzielen, solltest Du diese Methoden mind. 1-2 x pro Woche anwenden. Die Anspannung solltest Du bis zu 15 Sekunden halten und maximal 20 Prozent Deiner verfügbaren Kraft aufwenden. [1]
Zusammenfassung: Sowohl das vorgestellte Passive Dehnen aus Teil 1, als auch die PNF Stretching Methode verbessern Deine Flexibilität. Beim PNF Stretching kommt jedoch noch eine Kraftkomponente hinzu, da Du Deine Muskulatur und Gelenke in weit gedehnten Positionen stärkst. Und genau darum geht es beim Thema Mobilität. Den konkreten Unterschied zwischen Flexibilität und Mobilität erklären wir Dir im nächsten Teil.
Übrigens: In unserem Yogakurs mit Live-Übertragung kommenden Donnerstag 18.30 Uhr führen wir Dich durch die vorgestellten Dehmmethoden, so dass Du die Wirkung selbst spüren kannst.
Quellen:
[1] Sharman, MJ, Cresswell AG, Riek S: Proprioceptive Neuromuscular Facilitation Stretching: Mechanisms and Clinical implications. Sports Medicine. 2006, 36 (11)
Hill, KJ et. Al: Immediate Effects of Proprioceptive Neuromuscular Facilitation Stretching Programs compared with passive Stretching Programs for Hamstring Flexibility. Journal of Sport Rehabilitation. 2016, Vol 26, Issue 6
Long, Ray: Yoga Anatomie 3D. Rivaverlag, 2019